Trotz Fortschritten in den letzten Jahren noch einiges an Verbesserungspotenzial bei der Förderung der deutschen Talente im Bereich Para-Ski nordisch sieht Nachwuchs-Bundestrainer Michael Huhn.
Im Para-Skisport nordisch ist eine WM- und Paralympic-Saison vorbei. Wie lautet das Fazit des Winters 2021/22 aus Sicht des Nachwuchs-Bundestrainers?
Wir blicken auf ein erfolgreiches Jahr mit vielen Höhepunkten zurück. Wir haben unser Jahr so aufgebaut, dass die Fokussierung auf den Paralympischen Spielen in Peking lag und die Weltmeisterschaften als Aufbau dafür genutzt. Bei den Weltmeisterschaften wurden bereits gute Ergebnisse erzielt, welche dann bei den Paralympischen Spielen in Peking nochmals deutlich übertroffen worden konnten. Vor allem die jungen Athleten wie Linn Kazmaier und Leonie Walter haben hier sehr überzeugt und ihre bisherigen Leistungen und Erwartungen bei weitem übertroffen. Ich bin glücklich ein solch junges und motiviertes Team trainieren zu dürfen und freue mich auf die nächste Saison mit weiteren Höhepunkten, wie die Weltmeisterschaften in Östersund.
In Peking haben erfreulicherweise vor allem sehr jungen Athletinnen auf sich aufmerksam gemacht. War das in dieser Form absehbar?
Wir wussten zwar dass die jungen Sportler im vergangenen Jahr sehr gut gearbeitet haben und Fortschritte gemacht haben, aber solch ein Ergebnis war im Vorfeld nicht abzusehen. Auch weil in den vergangenen Jahren wenig internationale Vergleichswettkämpfe stattfinden konnten, wusste man nicht genau wie stark und treffsicher die Konkurrenz sein wird. Vor allem durch sehr gute Schießleistungen konnten hier die vorderen Platzierungen abgesichert werden und auch läuferisch sind vor allem Leonie Walter und Linn Kazmaier über sich hinausgewachsen. Wir sind gespannt was in der kommenden Saison möglich ist und hoffen auf eine Fortsetzung der Ergebnisse.
Welche Ziele haben Sie sich für den nächsten Paralympic-Zyklus bis 2026 gesetzt?
Für die nächsten Zyklus wollen wir die Leistungen der Sportler individuell weiter entwickeln und weitere Sportler/innen am Sportinternat und im Sportsystem zu integrieren. Für das kommende Schuljahr wird ein weiterer Sportler ans Sportinternat ziehen und für das Jahr drauf laufen auch bereits Gespräche für weitere Integrationen von Sportlern im Sportsystem Freiburg, so dass die Trainingsgruppe weiter wachsen wird. Durch schrittweise Integration in den Olympischen Sport soll zudem die Professionalität erhöht werden.
Welche Höhepunkte stehen im nächsten Winter an und wie bereiten Sie sich darauf vor?
Die Vorbereitungen beginnen bereits im Frühjahr und beinhaltet über den Sommer diverse Lehrgangsmaßnahmen etwa in Livigno, Toblach oder Oberhof. Bei diesen Lehrgängen wird schwerpunktmäßig an der Ausdauer und an individuellen Problemen gearbeitet, um die sportliche Leistung weiter voranbringen zu können. Im November steht dann die finale Schneevorbereitung in Livigno über 3 Wochen an. Hier wird der Grundstein für den ersten Weltcup in Vuokatti (FIN) gelegt, damit jeder seine individuell beste Leistung abrufen kann. Weitere Weltcups folgen dann in Planica (SLO) und Soldier Hollow (USA). Als Höhepunkt steht dann nächstes Saison die Weltmeisterschaft in Östersund an.
Welches sind aus Ihrer Sicht die größten Probleme in der Nachwuchsarbeit beim Para-Sport in Deutschland generell und besonders beim Ski nordisch?
Der paralympische Sport ist immer noch zu wenig in den Vereinen integriert, wodurch es für viele Menschen mit Behinderung sehr schwer ist, überhaupt eine adäquate Möglichkeit zu finden den Sport ausüben zu können. Hier öffnen sich immer mehr Vereine, wodurch diese Lücke geschlossen werden soll. Dazu kommt, dass es durch Schulinklusion immer schwieriger wird den Sport zu den Kindern und Jugendlichen zu bringen, da Sportangebote viele gar nicht mehr erreichen.
Speziell für den Skisport gibt es weitere Schwierigkeiten, die es zu bewältigen gibt. Zum einen ist der Skisport auf Infrastruktur angewiesen an denen der Sport ausgeübt werden kann (Barrierefreiheit, angemessene Strecken, Kooperationsvereine, Fördermöglichkeiten Landesverbände). Zum anderen gibt es immer weniger Skigebiete, an denen über einen längeren Zeitraum Schnee zur Verfügung steht. Deshalb ist hier hauptsächlich der Süden im Wintersport integriert. Eine Offensive läuft aktuell mit Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Hessen. Hier sollen neue Gebiete mit bereits vorhandener Infrastruktur erschlossen werden.
Gibt es Ansätze in anderen Ländern, die als Vorbild dienen könnten?
Die meisten Länder kämpfen mit den gleichen Problemen, Kinder und Jugendliche zum Sport zu bringen und in ein leistungssportliches System zu überführen. In den östlichen Ländern wird der Datenschutz etwas weicher betrachtet wodurch hier eine bessere Kenntnis der Sportsysteme über mögliche Talente vorliegt und dadurch eine gezieltere Sichtung stattfinden kann.
Ansonsten haben wir ein funktionierendes System aus Schulsichtung, Talenttagen, Sichtungslehrgängen, Kooperationen mit Orthopädiemechanikern und Austausch mit anderen Sportarten etabliert.
Wenn Sie drei Wünsche hinsichtlich der Arbeit mit dem Nachwuchs hätten, welche wären sie?
-Flächendeckendere Abdeckung an Vereinen, die die Möglichkeit bieten den Sport inklusiv ausüben zu können.
-Bessere Erreichbarkeit der Menschen mit Behinderungen auf Regelschulen.
-Hauptamtliche Landestrainer in allen Bundesländern mit angemessener Anzahl an Landeskaderathleten.
Welche Bedeutung hat eine Unterstützung, wie sie seitens der Stiftung für den nordischen Ski-Behindertensport geleistet wird?
Die Unterstützung durch die Stiftung hat eine sehr große Bedeutung, da es ohne die Stiftung oft nicht möglich gewesen wäre adäquates Material für die Sportler beschaffen zu können. Auch Lehrgangsmaßnahmen werden falls nötig unterstützt, so dass die Stiftung ein enorm wichtiger Rückhalt für den Nachwuchs als auch für die Nationalmannschaft geworden ist. Nur durch diese Unterstützung kann die Mannschaft professionell und zielgerichtet arbeiten und sowohl in der Nachwuchsentwicklung als auch in der Weltspitze konkurrenzfähig sein.